Schmalspur

Ein wenig zur Historie

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Die Frage, warum die Eisenbahn auf unterschiedlichen Spurweiten fahren, ist nicht so ganz einfach zu erklären. Die heutigen Normalspurgleise, mit einem Innenmaß von 1435 mm zwischen den Schienenköpfen, entstammt einem englischen Maß, eben jener importierten Spurweite, den ersten Dampflokomotiven folgend. Das einige Bahngesellschaften davon nur wenig abweichende Spurweiten wählten, scheint im Wesentlichen ein Grund für Exklusivität zu sein, um Kunden zum Umsteigen in die eigene Bahn zu bewegen. Aber auch topografische Verhältnisse liessen die Wahl einer anderen Spurweite ratsam erscheinen.

Wie kurzsichtig häufig ein solcher Entscheid war, zeigt die Historie.

Postkutschenzeit

Versetzen wir uns ein wenig in die Zeit der Entstehung der Bahnlinien: Zur Mitte des 19. Jahrhunderts (um 1850) gab es kaum Möglichkeiten, individuell zu Reisen. Der Besuch des Wochen- oder Jahrmarkts in der nächsten Stadt war im Regelfall nur zu Fuß zu erledigen. Autos gab es keine, bestenfalls Fuhrwerke oder Pferde. Begüterte Personen nutzten die Postkutsche für ihre Fahrten. Trotzdem blieb der Zeitaufwand für eine Reise von Punkt A nach B sehr hoch. Selbst kurze Strecken entpuppten sich häufig als Tagesreisen. Dazu kam der Staub der trockenen Straßen, schlechte Federung der Kutschen, häufige Pferdewechsel, kein oder nur wenig Schutz vor den Unbilden der Witterung, sowie geringe Kapazitäten der Kutsche in Relation zum eingesetzten Personal. In der Folge waren Reisen mit der Postkutsche recht teuer und nur für einen winzigen Anteil der Bevölkerung erschwinglich. Seitenanfang

Eisenbahnzeit

Mit dem Einzug des Dampfrosses war Fortbewegung plötzlich kein Gut für Privilegierte mehr. Eine kleine Mannschaft von Lokführer, Heizer, Schaffner und stationärem Bahnhofspersonal konnten in ihren Personenwagen eine Vielzahl von Personen befördern, und das zu bezahlbaren Konditionen. Gleichzeitig hatte der Komfort enorm zugenommen, denn die Trasse war exakt verlegt und ungeahnte Geschwindigkeiten beflügelten den Transport. Neue Waggonbauarten, losgelöst vom Postkutschendesign, boten bisher ungeahnten Sitzkomfort, auch auf Holzbänken. Innerhalb weniger Jahre wurden viele Streckenkilometer Bahnlinie gebaut und entpuppten sich als großer Erfolg.
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Eisenbahnblüte

Jedes Dorf, jede Talschaft und jeder größere Betrieb verlangte nun nach einem eigenen Anschluss an die große, weite Eisenbahnwelt. Verständlich, war man doch umständlich auf Fuhrwerke oder Postkutschen angewiesen, während die Eisenbahn schnelle Bewegung und damit Profit versprach. Das Transportbedürfnis einzelner Orte reichte aber nicht an jenes heran, das zwischen den großen Metropolen und Städten bestand. Gleichzeitig war der Bau der Bahntrasse ein kostspieliges Unterfangen. So kamen findige Tüftler auf die Idee, die Eisenbahn stärker den topografischen Verhältnissen anzupassen, um so Kunstbauten wie Brücken und Tunnel zu sparen. Gleichzeitig war der Oberbau leichter, die Züge schmaler und somit preiswerter. Zeit also, nun auch den letzten Winkel der Republik mit Schienen zu erreichen.
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Geburt der Schmalspur

Mit der Verkleinerung der Spurweite konnten sich die Züge besser dem Verlauf des Geländes anpassen. Kürzere Züge ließen stärkere Steigungen zu, kürzere Waggons engere Radien. Die Lokomotiven kamen mit wenig Leistung aus, was ihr Gewicht positiv beeinflusste. Somit konnte auch der Oberbau sparsam erstellt werden. Damit war es möglich, beinahe jede Stadt und jedes Dorf zu erreichen.

Die Pioniere der Schmalspurbahn wollten hoch hinaus und planten Eisenbahnen auf die höchsten Berge. Zahnstange und Zahnrad machten es möglich. Jeder wollte den Tourismus oder die Wirtschaft der eigenen Region fördern. Schneller, höher, weiter - ein Motto nicht nur aus vergangenen Tagen.
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Blüte der Schmalspur

Zum Ende des 19. Jahrhunderts konkurrenzierten sich viele Bahnprojekte - jeder wollte zuerst auf dem Berg X sein oder das Städtchen Y erreichen. Bahngesellschaften wurden gegründet, wie Sand am Meer. Finanzierungen waren kein Problem: Prioritätsaktien und Eisenbahnobligationen hießen die verlockenden Schlagworte, die viele brave Anleger zu risikofreudigen Spekulanten werden ließen.

In Publikationen, die um die Jahrhundertwende geschrieben wurden, wurden die vielfältigen Facetten und Möglichkeiten der Schmalspurbahn ausgearbeitet und mit schönen Worten umschrieben. Leicht, kostengünstig, bequem, schnell, etc. Und ... fast alle genannten Vorzüge besitzt die Schmalspurbahn auch tatsächlich.

Die schmalspurigen Eisenbahnen erreichten viele entlegenen Orte und brachten ihnen die Errungenschaften der Zivilisation. Atemberaubende Gebirgsbahnen entstanden ebenso, wie liebliche Talbahnen. Wo immer man ein Transportbedürfnis vermutete, wurden Konzessionen für den Bahnbau erteilt.
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Niedergang der Schmalspur

Bereits nach kurzer Zeit entpuppte sich der Segen der schmalen Spur als schwere Bürde für viele Bahngesellschaften. Die in aller Eile in das Straßenplanum gelegten Schienen störten beim Ausbau des Individualverkehrs, der mit dem Bau der ersten Autos seinen Siegeszug antrat. Gleichzeitig nötigte man die Reisenden von einer Bahn in die nächste umzusteigen. Während dies vom Reisenden noch selbst vorgenommen werden konnte, mussten Güter dagegen mühselig per Hand umgeladen werden. Zeit war auch damals bereits Geld wert - es musste also eine bessere Lösung gefunden werden. Der einfachste Weg war, einen normalspurigen Güterwagen mit schmalspurigen Drehgestellen auszurüsten und damit den Umlad zu sparen. Die Geburtsstunde der Rollschemel und Rollböcke. Leider war damit der Vorteil der Bahn, leichter und schmaler zu sein, endgültig dahin. Der leichte Oberbau hielt den Belastungen kaum stand, verzog sich, musste erneuert werden. Das Rollmaterial veraltete, da aufgrund geringer Kapazitätsauslastung die Einnahmen bestenfalls zur Deckung der laufenden Kosten ausreichten, aber keine Neuanschaffungen ermöglichten.
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Problemkind Eisenbahn

Nun soll nicht der Eindruck erweckt werden, schmalspurige Bahnen seien keine "richtigen" Eisenbahnen, stets nur auf Sand gebaut, und sowieso nur kurzlebig. Es gibt viele Beispiele von gut funktionierenden Bahnen, mit hohem Personen- und Güterverkehr. Das beinahe alle Bahngesellschaften kaum wirtschaftlich existieren könnten, liegt am allgemeinen Zustand unseres Verkehrsbedürfnisses.

  • Wer geht schon gern eine längere Strecke (bis zum nächsten Bahnhof)
  • wer wartet schon gern einige Minuten (auf den nächsten Zug)
  • wer liebt schon bedrückende Enge (in einem prall gefüllten Schülerzug)
  • wenn man doch ganz einfach in sein vor der Tür geparktes Auto einsteigen und fahren kann, wohin man will, und dabei noch ganz für sich ist?!
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    Auswege aus dem Dilemma

    Aber Bahngesellschaften haben heute einen ganz anderen Auftritt: nicht nur dem Verkehrsbedürfnis dienen, sondern auch Erlebnis und Erholung bieten.

    Erholung Eisenbahn:

  • Warum mit dem Auto über den Pass fahren, wenn man mittels Autoreisezug unter dem Berg hindurch kann?
  • Warum mit dem Auto im Stau stehen, wenn man mit dem Schnellzug die gleiche Strecke in gleicher, oder vielleicht noch kürzerer Zeitspanne bewältigen kann?
  • Warum mit dem Auto mühselig einen Parkplatz suchen, wenn man mit der Straßenbahn bis fast an den Arbeitsplatz gefahren wird?

    Erlebnis Eisenbahn:

  • Warum mit dem Auto fahren und auf die Straße achten, wenn man die wunderbare Welt aus großformatigen Panoramafenstern betrachten kann?
  • Warum die Autositze mit Kaffee bekleckern und mit Kekskrümeln bestreuen, wenn der Reisezug eine vorzügliche Küche oder gut sortierte Minibar mit sich führt?
  • Warum allein im Auto sitzen und die Musik-CD zum x-ten Male hören, wenn man mit Mitreisenden mehr oder minder tiefsinnige Gespräche führen könnte?
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    Beim Vorbild abgeschaut

    Erfolgreich wirtschaften heisst für eine Bahnunternehmung auch, die Kunden anlocken, längerfristig an sich binden und Zufriedenheit schaffen. Eben, das Besondere bieten.

  • Gebirgsbahnen in der Schweiz haben es relativ gesehen leichter zu überleben, als eine schmalspurige Überlandstraßenbahn. Fahrten unter dem Pass hindurch bringen Zeitvorteile gegenüber dem Auto, zumindest aber gegenüber dem Schwerlastverkehr.
  • Abgeschiedenheit und Stille - ohne rastlosen Automobilverkehr - finden bei vielen Touristen zunehmend Anklang, so dass autofreie Städte de facto per Bahn an die große weite Welt angebunden werden.
  • Gourmetfahrten in Sonderzügen, zum Augenschmaus gesellt sich die Gaumenfreude.
  • Beeindruckende Technikgeschichte erlebbar gemacht, in einer Welt, die eher steril und computerisiert scheint.
  • Der Umweltgedanke macht sich breit und nicht immer muss ich mit dem Auto den Berg bezwingen, eine gemütliche Bahnfahrt hat auch seinen Reiz.
  • Nostalgiker lieben alte schnaufende Dampfrösser, den Geruch von Öl und Ruß und die Eisenbahn zum Anfassen.

    Alles dies gibt es, in der Welt der großen Eisenbahn, auf Normal- und Schmalspur.
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    Schmalspur heute

    Wahrscheinlich gibt es keine wirkliche Übersicht über die Vielzahl von schmalspurigen Bahnen, deshalb soll an dieser Stelle auch keine Auflistung der bekannten Bahngesellschaften stehen. Es gibt viele Bücher zu diesem Thema, und jedes ist sicherlich für sich lesenswert - aber auch hier fehlt die endgültige Übersicht.

    Man findet sie überall, die schmalen Spuren: viele Straßenbahnen nutzen sie, um ihr Rollmaterial gut "um die Ecke zu kriegen". Viele Gebirgsbahnen nutzen sie, um die steilen Pässe zu bezwingen. Gartenbahnen nutzen sie, um die Besucher durch die Parks zu lotsen. Feldbahnen nutzen sie, um ihr abgebautes Gut unkompliziert in großen Mengen abzutransportieren. Finden muss man sie allerdings häufig selber - die Schmalspurbahn.
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    Schmalspurtechnik

    Generell unterscheiden sich die technischen Aspekte einer Bahn spurweitenabhängig betrachtet, wohl kaum. Lokomotiven mit modernster Umrichtertechnik, Expresszüge mit Speise- und Panoramawagen, modernste Signal- und Sicherungstechnik, solider Gleis- und Trassenbau mit stabilen Gleisprofilen.

    Und doch kann man die Schmalspurbahn leicht erkennen. Die Wagen sind zierlicher, nicht so breit und so lang, wie ihre großen Brüder und Schwestern. Das Gleis kann man mit einem großen Schritt überschreiten. Und - vor allem in Europa auffällig - die Bahnen haben fast alle eine mittig angeordnete Kupplung ohne seitliche Puffer.

    Von Schmalspur spricht man landläufig, wenn die Spurweite das Normalmaß von 1435 mm unterschreitet. Üblich sind die Spurweiten

  • 1067 Millimeter (Kapspur), vor allem in Südafrika und Japan gebräuchlich,
  • 1000 Millimeter (Meterspur), die von vielen Straßenbahnen und Schweizer Gebirgsbahnen bevorzugt wird,
  • 760 Millimeter (Bosnaspur), die vor allem auch heute noch in Österreich und den Balkanstaaten zu finden ist,
  • 750 Millimeter, vielfach bei den sächsischen Schmalspurbahnen angewandt und
  • 600 Millimeter (Feldbahn), deren verbreitetste Anwendung die äußerst variable Feldbahn ist.

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